Wie hat sich die Arbeitswelt in den letzten zwei Jahren in Ihren Augen entwickelt? Was war der wichtigste Faktor darin?
Die Arbeitswelt hat in den letzten zwei Jahren aufgrund der Corona-Pandemie eine starke Veränderung durchlebt. Dies hat sich insbesondere auf zweifache Weise ausgewirkt: Eine Beschleunigung durch den plötzlichen Digitalisierungsschub, den das Mobile Arbeiten verlangt hat. Und gleichzeitig eine Ausbremsung mancher Kulturentwicklungen in Organisationen.
Welche Chancen bzw. welche Risiken birgt diese Entwicklung in Ihren Augen?
Wer als Unternehmen zukunftsfähig bleiben möchte, sollte auf flexible Arbeitsweisen zurückgreifen, dazu zählen auch hybride Arbeitsmodelle. Der Druck seitens der Arbeitnehmer*innen, den Fokus vermehrt auf die Bedürfnisse und Wünsche der Arbeitenden zu legen spielt dabei auch eine entscheidende Rolle. Wir beobachten, dass durch eine deutliche Verschärfung des Wars for Talent immer mehr gefordert wird, auch höhere Vergütung bei weniger Arbeitszeit an flexiblen Arbeitsorten. Bei der Schaffung neuer Arbeitswelten sollte die Belegschaft angemessen einbezogen werden. Z. B. bei der Verbesserung der räumlichen Arbeitsumgebung. All das ist Aufwand für die Organisationen, aber sie können es auch als Chance nutzen die Organisation entscheidend weiterzuentwickeln.
Homeoffice gehört inzwischen zum Alltag vieler Arbeitnehmer. Wie lässt sich auch in solchen Modellen Unternehmenskultur leben?
Unternehmenskultur ist im Wesentlichen »the way we do things around here«. Das heißt, Kultur wird immer gelebt. Es ist die Frage, wie förderlich sie ist. Eine Herausforderung im virtuellen Arbeiten ist die Empfindung der Unternehmensund Teamzugehörigkeit aufrecht zu erhalten. Dafür sind Absprachen zum gemeinsamen Arbeiten im Büro wichtig, damit an diesen festgelegten Tagen das Team auch wirklich zusammenkommt und echter Kontakt entsteht. Die Zeit im Büro sollte für Aufgaben genutzt werden, bei denen das Team vom Zusammensein besonders profitiert, z. B. Arbeiten an einer komplexen Teamaufgabe.
Aber auch im virtuellen Setting lässt sich Kultur gestalten, z. B. indem bei Besprechungen bewusst einige wenige Minuten am Anfang oder Ende für die persönliche Ebene genutzt werden. Z. B. mit einer Frage wie: »Was war ein Highlight für Dich diese Woche«?
Was gilt es für Arbeitnehmende zu beachten, um trotz Homeoffice die Trennung von Berufs- und Privatleben sicherzustellen?
Manche Menschen brauchen eine stärkere Trennung als andere. Jedenfalls verschwimmen die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben im mobilen Arbeiten immer mehr. Für die Trennung gilt daher oft: kleine Hebel – große Wirkung. Z. B. können gut kommunizierte persönliche Regeln helfen, wie »Wenn meine Arbeitszimmertür geschlossen ist, darf ich nur gestört werden, wenn sich jemand weh getan hat«.
Was würden Sie Unternehmen raten, die zu einem Arbeitsmodell von vor der Pandemie zurückwollen?
Unternehmen sollten genauer hinschauen und für sich entscheiden, ob sie als Organisation bereit sind, den Preis dafür zu zahlen, dass Mitarbeiter*innen noch schwieriger zu gewinnen und zu halten sind und dass die Effiizenz der Arbeit unter dem Strich meist leidet. Das können sich viele Menschen kaum vorstellen. Aber wer z. B. einen Urlaubstag einreichen muss, weil Handwerker ins Haus kommen, wird erst einen Tag später erreichbar sein.
Wie unterstützen Sie Unternehmen bei den aktuellen Herausforderungen?
Wir begleiten unsere Klienten umfassend bei der Umsetzung von New Work und den damit verbundenen Arbeitsplätzen der Zukunft. Angefangen bei der physischen Arbeitsumgebung, also der Gestaltung der Räumlichkeiten bis hin zur Einführung und Weiterentwicklung von neuen Einstellungen der Führungskräfte und Belegschaft. Also z. B. mit Change-Kommunikation, Agile Coaching und Agile Backbone-Beratung, Weiterbildung, Change- und Lern-Software und anderen Change-Maßnahmen.
Wo geht Ihrer Meinung nach die Reise im Kontext New Work hin?
Die Geschwindigkeit der Entwicklungen und des Wandels wird hoch bleiben, da wir als Menschheit hier einen großen Nachholbedarf und große Chancen haben. Dabei sehe ich die neuen Arbeitsweisen- und Modelle als entscheidende Performance-Hebel vieler Organisationen. Entscheidend für den Erfolg wird sein, wie sehr sich die Menschen auf einen echten Lernprozess als Lerngemeinschaft einlassen. Wie Führungskräfte zu Vorbildern im Lernen werden, statt zu glauben schon Vorbilder zu sein, weil sie denken, das Zielverhalten bereits vorzuleben.
Michael Timmermann ist Gründer und CEO der Timmermann Group mit Sitz in München. Mit seinem Ansatz »Beratung 2.0« berät Timmermann heute Unternehmen aller Größen in Bezug auf Change, Agilität, Strategie, Unternehmenskultur, Innovation, Digitalisierung und Führung
Dieser Artikel ist Teil unseres DATAGROUP Magazins zum Thema „Zukunft“.