IT – eine Branche im Umbruch

Im Gespräch mit Mario Zillmann, Partner beim Marktforschungsunternehmen Lünendonk

Die Lünendonk & Hossenfelder GmbH analysiert europaweit Unternehmen aus der Informationstechnik, Beratungs-, Prüfungs- und Dienstleistungsbranche. Wir sprechen mit Mario Zillmann über den Umbruch auf dem IT-Markt und die Rolle von DATAGROUP bei der Konsolidierung des Marktes.

Können Sie bitte ein paar Sätze zu Ihrer Person erläutern und warum Sie Experte auf diesem Gebiet sind?

Als Partner bei Lünendonk, dem führenden Marktforschungsund Beratungsunternehmen für Business-to-Business-Dienstleistungsmärkte, beschäftige ich mich seit mehr als zehn Jahren mit dem IT-Dienstleistungsmarkt in Deutschland. Dabei geht es aktuell vor allem um Research-Projekte rund um die digitale Transformation, also um Themen wie Cloud Sourcing, Customer Experience sowie Künstliche Intelligenz und Automatisierung. Darüber hinaus verantworte ich die Lünendonk-Liste »Führende IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen in Deutschland« und beschäftige mich ebenfalls sehr intensiv mit den Strategien der IT-Dienstleister, sich auf die digitale Transformation ein- und umzustellen.

Und wo stehen die IT-Dienstleister aus Ihrer Sicht?

Viele sind noch nicht so weit, wie sie eigentlich sein müssten. Wir beobachten, dass sich derzeit die Anbieterlandschaft aufteilt in diejenigen Anbieter, die sich von ihrem alten Kerngeschäft lösen und konsequent auf neue Technologien setzen und damit auch durchaus ein Risiko eingehen. Und dann gibt es diejenigen Dienstleister, die glauben, dass IT schon immer digital war und sich im Zuge des digitalen Wandels der Gesellschaft nicht viel für ihr Geschäft ändern wird. Ich denke, das ist eine krasse Fehleinschätzung.

Warum?

IT-Dienstleister müssen heute viel stärker von den Kunden ihrer Kunden her denken. Denn ihre Auftraggeber haben einige neue Herausforderungen zu bewältigen, die sie aus eigener Kraft nicht schaffen. Vor allem müssen sie sich mit ihren Prozessen und Produkten kundenzentrischer aufstellen. Das bedeutet, effizienter und besser durch Automatisierung zu werden und digitale und datenbasierte Services rund um das Kerngeschäft anzubieten. End-to-end-Prozesse sind dabei der Schlüssel zum Erfolg. Kunden erwarten heutzutage eine hohe Prozessqualität, also einen durchgängigen und kanalübergreifenden Zugriff auf Online-Prozesse. Robotic Process Automation und Machine Learning spielen dabei eine zentrale Rolle.

Ferner müssen sich IT-Dienstleister stärker mit den Anforderungen der Fachbereiche beschäftigen, denn die IT-Abteilung ist schon lange nicht mehr der einzige Auftraggeber von IT-Services. Unternehmen benötigen bei ihrer digitalen Transformation einen strategischen Partner, der sie in wichtigen Teilen ihrer Wertschöpfungskette unterstützt und langfristig begleitet.

Ist das denn so neu?

Nein, aber der Druck der digitalen Transformation, dem vor allem mittelständische Unternehmen ausgesetzt sind, wächst ständig, und den meisten Unternehmen fehlen sowohl die Fachkräfte als auch die Erfahrungen bei der Einführung neuer IT-Technologien wie Cloud, Big Data Analytics oder Künstliche Intelligenz. Hinzu kommt, dass der Großteil der Unternehmen noch über eine IT-Landschaft verfügt, die entweder stark veraltet ist oder durch Full-IT-Outsourcing der ersten Generation enorm standardisiert und damit alles andere als flexibel und offen ist – also das genaue Gegenteil von dem, was Digitalisierungsvorhaben voraussetzen.

Die Vielzahl an Baustellen kann kein Unternehmen allein bewältigen, sondern braucht strategische Partner, die ihm auch die Lieferfähigkeit von Beratungs- und IT-Dienstleistungen sichert.

Und was ist aus Ihrer Sicht die Folge für die IT-Dienstleistungsbranche?

Der Markt wird sich weiter aufteilen, in diejenigen, die eher Commodity anbieten und mit ihren Services austauschbar sind. Davon gibt es einige unter den aktuell noch marktführenden IT-Dienstleistern. Und dann gibt es die Gruppe an Dienstleistern, die von ihren Kunden sehr eng in die Wertschöpfungskette eingebunden werden, weil sie die notwendigen Skills und Kompetenzen, die für die digitale Transformation notwendig sind, haben. Die Orchestrierungskompetenz der Vielzahl an Cloud Services ist ein Beispiel, Prozessautomatisierung ein anderes.

Vielleicht eine kurze Definition des IT-Markts. Was verstehen Sie darunter?

Der IT-Dienstleistungsmarkt teilt sich nach unserer Definition auf in IT-Beratung und Systemintegration, also vor allem Projektgeschäft, sowie in IT-Services. Unter IT-Services subsumieren wir den Betrieb und die Weiterentwicklung von Applikationen und der IT-Infrastruktur, also eher mittel- bis langfristig ausgerichtete Themen. Diese Unterscheidung treffen wir, weil es sich in beiden Marktsegmenten um völlig unterschiedliche Geschäftsmodelle handelt. Natürlich sind die Grenzen zwischen den beiden Marktsegmenten fließend. So bieten einige IT-Beratungen auch den IT-Betrieb an, ebenso wie IT-Service-Unternehmen Beratungsangebote im Portfolio haben.

Wo ordnen Sie DATAGROUP ein?

Das Unternehmen ist ein IT-Service-Unternehmen, und zwar einer der führenden Anbieter in Deutschland. Uns ist das Unternehmen zum ersten Mal aufgefallen, als es begonnen hat, sich von einem IT-Systemhaus zu einem Dienstleistungsunternehmen zu wandeln. Dieser Transformationsprozess ist abgeschlossen und DATAGROUP geht den nächsten Evolutionsschritt: zum Orchestrator der hybriden Cloud-Welt. Aus unserer Sicht hat DATAGROUP in den letzten Jahren mit einer konsequenten M&A-Strategie wichtige Puzzlesteine in das Bild gesetzt. Da ist besonders die Übernahme von über 300 IT-Fachkräften von HPE im Jahr 2016 zu erwähnen sowie zuletzt von rund 120 Experten aus der Übernahme der insolventen IT-Informatik, mit denen die Beratungskompetenz rund um SAP-Themen, vor allem die S/4HANA-Transformation, deutlich gestärkt wurde.

Sie sagten richtigerweise, dass M&As für DATAGROUP zur Unternehmens-DNA gehören. Was sind aus Ihrer Sicht die Treiber für M&As?

Bis vor einigen Jahren gab es noch einige große Mega-Deals, überwiegend um Größe zu erlangen. Viele dieser Deals waren nicht so erfolgreich wie erhofft. Wir sehen M&As daher aktuell sehr stark portfoliogetrieben, also mit dem Ziel, sich in Verticals punktuell zu verstärken. So wie DATAGROUP beispielsweise mit dem RPA-Spezialisten Almato, um seine Services in der CORBOX noch stärker zu industrialisieren und miteinander zu verzahnen. Stichwort: End-to-end-Prozesse und Customer Experience. In Ausschreibungen spielt FachKnow-how mittlerweile eine größere Rolle als früher, weil die Unternehmen viele benötigte Kompetenzen gar nicht haben.

Warum spielt die Konsolidierung so eine große Rolle in der IT-Branche?

Wir sehen den Trend, dass Größe zwar weiterhin eine wichtige Rolle in der Provider-Auswahl spielt. Allerdings müssen Provider viel stärker als früher in einzelnen Fachthemen lieferfähig sein und die Sprache der Fachbereiche sprechen, wie man immer so schön sagt. Am Beispiel Cloud wird es deutlich: Überlegungen, ob Prozesse in die Cloud verlagert werden sollen, finden zunehmend in den Fachbereichen statt. Dabei spielen Fach- und Branchenbesonderheiten eine Rolle, ebenso wie die Auswirkungen einer Cloud-Strategie auf die Prozesse. Organisations- und Prozessberatung sowie IT-Strategie und IT-Architektur rücken inhaltlich sehr eng aneinander. Hinzu kommt der technologische Aufbau von Clouds und die Migration der Bestandssysteme in die Cloud. Nicht zu vergessen ist die Orchestrierung, also das Zusammenspiel aller IT-Systeme, bedeutet aller Alt- und Cloud-Systeme. Man sieht, wie weit Technologiethemen mittlerweile ins Business gerückt sind. Kurzum, Generalisten werden immer wichtiger, um die breiten Anforderungen an Ausschreibungen zu erfüllen. Allerdings müssen Generalisten in wichtigen Themenfeldern wie Spezialisten aufgestellt sein. Das ist ein Spagat, der von den IT-Dienstleistern organisch gar nicht bewältigt werden kann.

Was meinen Sie, wie sich die Entwicklung fortschreibt?

Wir nehmen aktuell eine Vielzahl an Gesprächen zwischen Dienstleistern wahr. Allerdings sind die Kaufpreise aktuell auf einem sehr hohen Niveau, was sich oft als Show Stopper erweist. Aber Fakt ist, dass im IT-Servicegeschäft viele Dienstleister nicht überleben werden, weil ihnen der Veränderungswillen fehlt. Wie bereits gesagt, zählt im Cloud-Zeitalter die Fähigkeit, Cloud-Ökosysteme zu steuern. IT-Dienstleister, die sich überwiegend als Technologiepartner ihrer Kunden verstehen, werden keine Chance am Markt haben. Sie werden nicht mit dem Markt mitwachsen können und werden immer unattraktiver für Fachkräfte. So deutlich muss man das mittlerweile sagen. Daher wird es in den nächsten Jahren noch eine ganze Reihe an Übernahmekandidaten geben, die es heute vielleicht noch gar nicht wissen.

Mario Zillmann, Partner bei der Lünendonk & Hossenfelder GmbH. Seit 2007 bei Lünendonk und seit 2015 als Partner verantwortlich für Research- und Beratungsprojekte in den Märkten IT-Dienstleistungen, Engineering Services, Business Software sowie Managementberatung.

Der Artikel ist Teil unseres DATAGROUP-Magazins zum Thema Wandel.

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