Julia, du arbeitest eng mit vielen Top-Unternehmen zusammen. Vor welchen Herausforderungen stehen deine Kunden?
Ich beobachte verschiedene Branchen und nehme überall eine ähnliche Entwicklung wahr: Nicht mehr das Produkt steht im Vordergrund, sondern der Anwender. Diese Kundenzentrierung verlangt nach besonders nutzerfreundlichen Services und Lösungen. Bedürfnisse ändern sich im digitalen Zeitalter schnell. Technologische Entwicklungen und immer kürzere Produktlebenszyklen bestimmen die Geschwindigkeit, mit der man auf sich verändernde Anforderungen reagieren muss. Daneben steigt der Druck, besonders effizient und nachhaltig zu handeln und Produkte mit »Purpose« zu entwickeln. Daten aus vielen verschiedenen Anwendungen oder Legacy-Systeme ohne Schnittstellen lähmen Innovationsprozesse. Marktentwicklungen mit der nötigen Agilität und Dynamik zu begegnen, fällt daher vielen Unternehmen schwer. Letztlich wird der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Menschen zu einer weiteren Herausforderung für Marken und Werbetreibende.
Welche Aspekte der Digitalisierung sind aus deiner Sicht besonders wichtig?
Das Feld an »Buzzwords« ist mittlerweile riesig, jeder
definiert Digitalisierung anders. Grundsätzlich sehe ich für Anwender andere Aspekte im Vordergrund, als für Unternehmen. Wir Menschen konsumieren mobil, deviceübergreifend, wir sind always on und always connected. Da spielen für mich also Themen wie Performance, Usability, Kompatibilität und Kollaboration eine große Rolle. Unternehmen müssen sich zunächst mit strategischen Entscheidungen befassen: Möchte ich First Mover oder lieber Early Follower oder gar ein Late Follower sein? Neben Innovationsführerschaft stehen dann Themen wie Effizienz, Prozessoptimierung und Automatisierung im Vordergrund.
Wie hast du das konkret erlebt?
Für mich haben sich in den letzten Jahren zwei Bereiche in der Digitalisierung herausgestellt, die sowohl für Anwender als auch für Unternehmen maßgeblich sind. Ganz vorne steht die Experience. Sei es im Banking oder in der Logistik; wir alle streben nach möglichst einfachen und handlichen Lösungen, nach kurzen Wegen. Usability muss im B2B-Bereich genauso priorisiert werden, wie im B2C-Umfeld. Die Ansprüche an UX-Teams wachsen daher stetig. Um die User Experience und das User Interface an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten zu können, benötigt es eine Vielzahl an Zielgruppen-Insights. Es ist also essenziell, kontinuierlich Wissen über das Nutzerverhalten und deren Bedürfnisse aufzubauen. Da gelangen wir direkt zum zweiten wichtigen Aspekt: Daten. Die Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz und verwandten Feldern wie Machine Learning basiert auf smarten Datenhaushalten. Daneben lassen sich mit den richtigen Daten Prozesse analysieren, optimieren und schließlich automatisieren, was ein wahnsinnig großes Potenzial für Unternehmen birgt. Der Einsatz von Robotic Process Automation kann für Unternehmen ein Schlüssel auf dem Weg zur Digitalisierung sein und gibt die Chance, alte Workflows zu überdenken und ganze Prozesse streamlinen und optimieren zu können.
Worum genau geht es bei Robotic Process Automation?
Robotic Process Automation, oder kurz RPA, ermöglicht die vollautomatische Abwicklung von strukturierten Geschäftsprozessen durch virtuelle Roboter, welche in der Lage sind, regelbasierte Entscheidungen zu treffen, Daten zu kopieren und zu bearbeiten. Einfach gesagt: Software-Roboter bedienen Systeme genauso, wie Mitarbeiter es tun würden. So wie physische Roboter Aufgaben in der Fertigung übernehmen und digitale Twins und das Internet of Things die Fernsteuerung erleichtern, übernimmt robotergesteuerte Prozessautomatisierung diese Rolle auf der virtuellen Ebene. Kurzes Time-to-market macht RPA zu einem festen Bestandteil der Digital Enterprise-Strategie für viele Unternehmen.
Wie genau können Unternehmen das Potenzial für die Digitalisierung ihrer Prozesse und den Einsatz von RPA ermitteln? Ist das aufwendig?
Um geeignete Geschäftsprozesse in einem Unternehmen zu identifizieren, setzen wir im Rahmen der sogenannten »Business Process Discovery« eine Reihe von Techniken und Tools ein. Grundsätzlich macht RPA überall dort Sinn, wo strukturierte, hochvolumige Prozesse vorkommen. Erfahrungsgemäß können rund 50 % aller manuellen Arbeitsabläufe automatisiert und deren Prozesseffizienz gesteigert werden.
Was ist bei der Auswahl der Prozesse zu beachten?
Einige Prozesse eignen sich besser als andere, um schnell und einfach die Wirksamkeit von RPA zu demonstrieren, daher ist die Auswahl der richtigen Prozesse nicht ganz trivial. Ich arbeite gerne nach dem Konzept »Think big, start small, scale fast.« Für das erste Projekt bietet sich ein wenig komplexer Prozess an, der auf festen Business Rules basiert und durch dessen Automatisierung Quick Wins generiert werden können. Darunter fallen z. B. die Effizienzsteigerung im Backoffice oder stark verkürzte Prozessdurchlaufzeiten. Wir beraten Kunden dabei, im Rahmen der Einführung von RPA ein internes, selbsterhaltendes und skalierbares Fachwissen für den Betrieb und die Wartung von Robotern zu entwickeln. Ein sogenanntes »Center of Excellence« ist im Wesentlichen der Weg, um RPA tief und effektiv in der Organisation zu verwurzeln.
Was sind in deinen Augen die größten Vorteile von RPA?
Wenn ich den Endkunden in den Fokus rücke, dann ist die schnellere Abwicklung von Anfragen und Service-Fällen durch den 24/7-Einsatz von Bots einer der maßgeblichen Vorteile. Für das Unternehmen führt das aber nicht nur zu einer erhöhten Kundenzufriedenheit, sondern mündet in der Effizienzsteigerung und Kostensenkung. Kapazitätsgewinne durch die Entlastung von Mitarbeitern bzw. deren Einsatz für komplexe, anspruchsvollere Tätigkeiten schlägt sich meist direkt in einer gesteigerten Mitarbeiterzufriedenheit nieder.
Daneben schaffen Bots Flexibilität: Sie skalieren den Workload entsprechend der aktuellen Anforderungen und können sich saisonalen Schwankungen schnell und einfach anpassen. Ich hatte vorhin beschrieben, dass Daten aus verschiedenen Anwendungen sowie Legacy-Systeme ohne Schnittstellen große Pain Points für Unternehmen auf dem Weg der Digitalisierung sind. Robotic Process Automation stellt eine optimale Lösung für diese Problematik dar, indem die Software alt und neu verknüpft, ohne in bestehende Systeme einzugreifen.
Und was ist der Vorteil der Robots-as-a-Service-Lösung?
Mit unserer Robots-as-a-Service-Plattform ermöglichen wir die Bereitstellung von RPA-Technologie aus der Cloud, woraus sich eine einfache Implementierung und schnelle Nutzung von RPA-Technologie ergibt. Das erspart es den Unternehmen in Lizenzen und Infrastruktur zu investieren oder sich um den Betrieb der RPA-Infrastruktur kümmern zu müssen.
Was denkst du, wie sich RPA in Zukunft entwickelt?
Der nächste Schritt wird sein, selbstlernende Roboter durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz zu schaffen. Wir arbeiten bereits an speziellen Skills für die Bots, die es ihnen ermöglichen, zu verstehen, zu lernen und Vorschläge zu ihrer eigenen Verbesserung zu machen. Was für viele noch immer nach einer Zukunftsvision klingt, befindet sich an vielen Stellen schon im Einsatz: Erste Machine-Learning-Anwendungen finden sich beispielsweise in der robotergesteuerten Dokumentenanalyse und der automatisierten Erkennung und Interpretation von Text und Bild.
Das klingt alles sehr interessant. Woher beziehst du das notwendige Know-how?
Ich versuche den Branchenüberblick zu behalten, indem ich internationale Konferenzen besuche und den direkten Draht zu den Entwicklungseinheiten der führenden Hersteller halte. Darüber hinaus beschäftigen wir bei uns 50 Roboter-Entwickler und bündeln Expertenwissen, was uns zu einem der führenden Hubs in Europa macht, wenn es um das Thema RPA geht. Seit etwa zwei Jahren investieren wir stark in F & E im Bereich Machine Learning und führen ein eigenes Labor.
Das klingt alles sehr technisch …
In meiner Rolle als Beraterin steht für mich besonders der fachliche Austausch in der Community und mit den Kunden im Vordergrund. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich die besten Use Cases oftmals erst aus Workshops, in der Diskussion und dem stetigen Hinterfragen des Status quo ergeben. Ich erfahre gerne mehr zum aktuellen Stand der Digitalisierung und tausche mich zu Robotic Process Automation aus – persönlich bei einem Kaffee oder Tee oder auch virtuell via
E-Mail oder auf LinkedIn.
Julia, vielen Dank für dieses Gespräch!
Das Interview ist Teil des IT’s automated – CORBOX Robots-as-a-Service-Magazins.
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Julia Antkowiak leitet bei DATAGROUP ein Digital Consulting Team und begleitet Kunden aus den Bereichen Banken, Versicherungen, Industrie und Handel auf dem Weg der digitalen Transformation. Ihr Team entwickelt Strategien und Konzepte für zeitgemäße mobile Kommunikation, die auf modernsten Technologien und Markttrends basiert. Mit einem tiefen Verständnis für die digitale, kollaborative und vernetzte Welt arbeitet Julia Antkowiak eng mit ihren Kunden zusammen, kennt branchenspezifische »Pain Points« und übersetzt fachliche Anforderungen in sinnvolle technologische Konzepte und Spezifikationen. Ihr persönliches Motto: »Re-envisioning and driving change in how companies operate.«