Zwei Monate und zehn Kollegen: mehr würden sie nicht benötigen, um eine Maschine dazu zu bringen, Sprache zu verwenden, Probleme zu lösen, die bislang nur Menschen lösen konnten, und sich selbst zu verbessern. Der Optimismus der jungen Forscher, die Mitte der 1950er-Jahre ein Forschungsprojekt starteten, das sie »Künstliche Intelligenz« tauften, kannte kaum Grenzen. Dennoch sollte es etwa 60 Jahre dauern, bis die KI-Forschung zu marktreifen Produkten führte.
Heute kommen Algorithmen, die Beziehungen zwischen Daten herstellen oder in großen Datenbeständen Muster ausmachen können in immer mehr Bereichen zum Einsatz. Sie verändern Wissenschaft und Kommunikation, Alltag und Verkehr, Arbeitswelt und Unternehmen. Eine neue industrielle Revolution wird bereits beschworen und auch ihr Ergebnis hat schon einen Namen: Industrie 4.0.
Ob Optimierung der Lagerhaltung, Personalplanung oder Produktkontrolle: Es sind insbesondere die lernenden Verfahren, denen wir diesen Boom verdanken. Diese Systeme werden nicht programmiert, sie werden trainiert. Soll ein System lernen, korrekt gefertigte Produkte von fehlerhaften zu unterscheiden, muss man ihm Beispiele zeigen. Beim überwachten Lernen wird dem System dabei wieder und wieder rückgemeldet werden, ob es mit seinen Versuchen richtig lag, so lange, bis es stabil zum richtigen Ergebnis kommt. Beim unüberwachten Lernen machen sich Algorithmen ohne solche Vorgaben auf die Suche nach Mustern in Datenbeständen, etwa Kunden mit ähnlichem Einkaufsverhalten.
Diese Verfahren können dazu beitragen, die Produktion effizienter zu machen, Innovation zu beschleunigen und die Qualität zu steigern. Losgröße 1 zum Preis von Massenware ist das immer wieder formulierte Ziel. Ohne KI werden Unternehmen in Zukunft nicht mehr mithalten können: Das ist zumindest die Botschaft, die KI-Initiativen und Förderprogramme deutschland-, europa- aber auch weltweit verbreiten.
Aktuell arbeiten Forscher daran, diese Lernverfahren handhabbarer zu machen, auch für Unternehmen, die nicht über riesige Datenbestände oder eigene IT-Abteilungen verfügen. Machine-Learning-as-a-Service heißt ein Ansatz, vortrainierte Modelle mit wenigen Daten an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Eine andere Baustelle, an der aktuell gearbeitet wird: Das Wissen, das in Unternehmen etwa über Produktionsprozesse vorliegt, in die lernenden Verfahren zu integrieren, damit sie schneller, zuverlässiger und mit weniger Daten lernen.
Das maschinelle Lernen hat die Algorithmen flexibler gemacht: Doch nach wie vor funktionieren sie nur in den Bereichen, für die sie trainiert wurden. Kein Algorithmus versteht, was er tut, oder setzt sich eigene Ziele. Das bedeutet, dass wir uns auf absehbare Zeit vor einer Superintelligenz nicht zu fürchten brauchen. Es sind immer Menschen, die aus dieser Technologie etwas machen.
Manuela Lenzen hat an der Universität Bielefeld in Philosophie promoviert und schreibt als freie Wissenschaftsjournalistin und Sachbuchautorin über Kognitionsforschung und künstliche Intelligenz. Sie ist zudem in Teilzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. 2018 erschien ihr Buch »Künstliche Intelligenz. Was sie kann und was uns erwartet« (C.H. Beck Verlag).